Beiträge zur Geschichte

Der Grafschaft Glatz (Schlesien) 

Eine faszinierende

Gebirgsbahn

Die schlesische Gebirgsbahnstrecke

Glatz – Dittersbach (Waldenburg)

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(Bemerkung: Dieser Bericht wurde von Bernhard Grolms von dem Sonderheft übernommen)

Zu den schönsten und interessantesten Eisenbahnstrecken gehörte die schlesi­sche Gebirgsbahn, deren Schienenweg von Glatz über Neurode nach Dittersbach/Waldenburg führte. Den Bahnreisenden boten sich prächtige Ausblicke auf eine ständig wech­selnde Landschaft mit ihren Bergen, Tälern, Wäldern und Ortschaften.

 

 

 

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Immer wieder faszinierte es, wenn sich die Dampflokomotive zischend und fauchend mit ihrer Wagenschlange hoch oben an Berg­hängen entlang schlängelte, in schwindelerre­gender Höhe über Viadukte hinweg rollte oder nach einem Warnpfiff in dunklen Tunnel­schlünden verschwand. Bis es jedoch dazu kam, war es ein langer Weg gewesen, ge­pflastert mit vielen Enttäuschungen....

 

 

Viele Pläne und herbe Enttäuschungen

Am 9. Januar 1854 übergab der Kögl. Hauptmann a.D. und Sachverständige im Eisenbahnwesen Krüger dem Oberpräsidenten der Provinz Schlesien, Graf Zedlitz-Trutzschier, eine Denkschrift, in der als Teil einer Zentralbahn von Berlin nach Wien die Strecke von Dittersbach über Neurode nach Glatz skizziert wurde. Obwohl dieses Projekt von vielen Seiten Zustimmung fand, ließ eine Realisierung auf sich warten. Als we­sentlichster Hinderungsgrund wurden die Kosten ge­nannt, die eine Verwirklichung einer solch schwie­rigen Gebirgsstrecke erfordern würden, was eine Ab­lehnung seitens der Regierungsbehörden in Berlin zur Folge hatte.

In gleicher Weise blieben auch die Bemühungen eines in Neurode gebildeten Zweigkomitees zur Vorberei­tung einer Eisenbahn von Waldenburg aus über Neu-rode, Glatz, Habelschwerdt nach Wildenschwerdt (Böhmen) zum Anschluss nach Prag und Wien ohne Erfolg.

 

 

 

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Verlauf der Bahntrasse in Neurode, gesehen aus der Vogel¬perspektive; oberhalb des Stadtkerns im Hintergrund ist der Viadukt über den Schwarzbachgrund zu sehen, die Trasse führt danach in einem Bogen entlang des Galgenberges an Kohlen¬dorf vorbei (Zeichnung von Artur Klutky, geboren in Kunzendorf bei Neurode)

In der Folgezeit wurden darum mehrmals andere Streckenführungen in Erwägung gezogen, so z.B. von Schweidnitz her durch das Weistritztal über Neurode und weiter nach Glatz. Ebenso wurde über einen Tun­nelbau durch das Eulengebirge nachgedacht, der sich jedoch wegen des hierfür errechneten Kostenaufwan­des von zwei Millionen Talern als illusorisch erwies, Im Jahre 1866 stand sogar ein Bahnbau von Waldenburg aus über Friedland und Braunau in Böhmen nach Glatz zur Debatte, der Neurode im Abseits ließ, wogegen die städt. Behörden in Neurode protestierten.

Noch 1872 verfiel eine Realisierung der immer wie­der geforderten Eisenbahn von Dittersbach über Neurode nach Glatz wegen der „exorbitanten“ Geldmittel der Ablehnung. Derweil ging der Bau der Strecke von Kamenz aus über Wartha, Glatz und weiter nach Habelschwerdt, Mittelwalde vonstatten (Baubeginn 1869, Inbetriebnahme am 15. September 1875), während die Gebirgsbahn über Neurode weiterhin ein Wunsch­traum blieb.

 

 

 

 

 

 

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Viadukt über den Schwarzbachgrund bei Neurode
Ein kühner Bau

Im Jahre 1875 wurde der Plan einer Bahnlinie Dittersbach - Neurode - Glatz wieder aufgenommen. Dies­mal mit Erfolg, so dass 1876 endlich mit dem Bau be­gonnen werden konnte. Im Sommer begannen die ersten Tunnelarbeiten, im Herbst folgten die weiteren Arbeiten. Ehe der erste planmäßige Zug rollte, mussten allerdings noch drei bzw. vier Jahre vergehen. Der Bau dieser Linie war für die damalige Zeit ein außergewöhnliches Ereignis, stellte er doch so hohe Anforderungen, dass man die Strecke als die schwie­rigste Bahnlinie von ganz Deutschland bezeichnete. Beim Bau waren große Hindernisse zu überwinden. So mussten 2.567 Kubikmeter an Erdmassen bewegt, des weiteren für zwei größere Brücken über die Neiße und die Steine sowie für acht hohe Viadukte 20.711 Kubikmeter an Mauerwerk, zum größten Teil aus hei­mischem roten Sandstein, gefertigt werden. Der Via­dukt über den Schwarzbachgrund bei Neurode war in jener Zeit im Kgr. Preußen zunächst der höchste. Außerdem waren inner­halb kurzer Distanz drei Tunnel durch Ber­ge zu bohren, darunter der 1.170,80 Meter lan­ge Königswalder Tun­nel und der 1.600 Me­ter lange Ochsenkopftunnel. Insgesamt erforderte der Bau dieser Gebirgsbahnstrecke laut amt­lichem Bericht vom Januar  1883 den Betrag von ins­gesamt 22.150.000 Mark, also eine für damalige Ver­hältnisse riesige Summe. Die Inbetriebnahme erfolgte in zwei Etappen: am 15. Oktober 1879 zunächst zwischen Glatz und Neurode sowie ein Jahr später am 15. Oktober 1880 weiter von Neurode bis nach Dittersbach. Die gesamte Strecke einschließlich aller Bauten war von Anfang an für einen zweigleisigen Be­trieb vorgesehen, jedoch begann der Ausbau hierfür erst 1907 und wurde kurz vor dem ersten Weltkrieg 1912 fertiggestellt.

Zu einem Novum gestaltete sich an der Strecke der Bahnknotenpunkt Mittelsteine, an dem die Züge von drei verschiedenen Bahngesellschaften zusammentra­fen. Zu der Reichsbahnstrecke Dittersbach - Glatz ka­men 1889 die von der österreichischen k.u.k.-Bahn bediente Linie Mittelsteine - Braunau/Halbstadt sowie 1902/03 die private Eulengebirgsbahn mit den Linien Langenbielau - Silberberg - Mittelsteine und Mittel­steine – Wünschelburg / Heuscheuer hinzu.

Textfeld: „Staunend erregende Werke wurden die vier hohen und weiten Viadukte, ein Werk außerordentlicher Schön¬heit der kühne Viadukt über den Schwarzbachgrund, der „höchste Viadukt in der Monarchie", bis er von dem Viadukt auf dem Müngstenberge im Bergischen Lande an Höhe noch übertroffen wurde.
Atemberaubend anzusehen war der Weg der Bahn aus dem Steinetal zur Höhe des Neuroder Bahnhofs, am Buckel des Graupenberges querhin, immer höher über dem Walditztale. Noch zehn Jahre später blieben die Walditzer unten auf der Straße stehen, um den Zug hoch oben kommen zu sehen.
Den Neurodern klopfte das Herz bei dem Gedanken, einmal über die hohen Viadukte fahren zu sollen - und dann weiter mitten durch das Innere der schwer lastenden Berge!"
(Aus: Chronik der Stadt Neurode)
In Mittelsteine befand sich zudem auch das in den Jahren 1912-1914 errichtete Reichsbahnkraftwerk, das die elektrisch betriebene Hauptstrecke von Bres­lau (Freiberger Bahnhof) nach Görlitz sowie mehrere Nebenstrecken mit der nötigen Energie versorgte. Ei­ne ebenfalls vorgesehene Elektrifizierung der unmit­telbar anliegenden Gebirgsstrecke Dittersbach - Glatz verhinderte allerdings der Ausbruch des zwei­ten Weltkrieges.

 

 

 

 

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Vom Neuroder Stadtbad aus war die Bahn oben am Berghang zu sehen

 

 

 

 

 

 

 

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 Der Brückenbau über den Schwarzbachgrund b. Neurode 1879/80 gehörte zu den schwierigsten der Bahnstrecke; der Viadukt war einer der wenigen, die als Krümmung gebaut wurden.

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Leedenbrückenbau

 

 

Rasch zunehmende Auslastung der Gebirgsbahn

Nach Inbetriebnahme im Jahre 1880 verkehrten auf der Strecke in beiden Richtungen täglich vier Perso­nen- und drei Güterzüge. Im Jahre 1908 waren es bereits 21 Personenzüge (darunter vier Eilzüge) und zehn Güterzüge.

In den 30er Jahren (ca. 1935) steigerte sich der tägli­che Personenzugverkehr in beiden Richtungen auf 25 Züge, darunter zwei Eil- und vier Bäder-D-Züge (letz­tere zwischen Berlin-Görlitz-Hirschberg-Dittersbach-Neurode-Glatz bzw. entgegengesetzt.

Störungen im Betriebsablauf

Da sich die imposante Gebirgsstrecke in ihrem Ge­samtverlauf durchweg bewährte, reduzierten sich die Beeinträchtigungen des durchgehenden Verkehrs nur auf ein Minimum ohne ernsthafte Auswirkungen auf den Zugverkehr. Im Jahre 1886 (am 4. Dezember) beeinträchtigte ein überaus starker Schneefall den Verkehr in der Graf­schaft Glatz, der im fahrplanmäßigen Zugverkehr zu Verspätungen von ein bis zwei Stunden führte und auf der Strecke Dittersbach-Glatz den durchgehenden Verkehr eine Zeitlang gänzlich unterbrach.

Zwei Jahre später, am 8. April 1888, war es ein Fels­rutsch im Einschnitt von Ludwigsdorf, der für kurze Zeit den Durchgangsverkehr lahmlegte. Noch gerin­gere Auswirkungen hatte wenige Jahre später der Ein­sturz eines Wirtschaftsgebäudes am Königswalder Tunnel. Die längste, mehr als eine Woche dauernde Unterbrechung wurde am 7. September 1910 von ei­nem Hochwasser ausgelöst, in dessen Folge sich am Südende des Ludwigsdorfer Bahnhofs der Bahndamm auf 50 Meter Länge um 4,70 Meter absenkte.

Ein tragisches Unglück, allerdings ohne Auswirkun­gen auf den Durchgangsverkehr, ereignete sich am 25. Januar 1945. Im Tunnel von Nieder-Königswalde hatte sich von einem in Richtung Dittersbach fahren­den Zug, dessen 30 Waggons teilweise aus einem be­legten Lazarettzug und zum anderen aus Wagen mit Wehrmachtsmaterial bestanden, etwa die Hälfte ge­löst und war infolge des Streckengefälles mit hoher Geschwindigkeit zurückgerollt. Da zur gleichen Zeit ein planmäßiger Personenzug im Bahnhof Neurode abfahrbereit stand, wurden in großer Eile im Stell-werk Ludwigsdorf die abgelösten Waggons auf ein „totes Gleis“ geleitet; ein Rangiergleis vom Anschluss zur Wenzeslausgrube in Mölke, das an einem Prell­bock endete. Letzterer hielt jedoch nicht der Wucht der aufrollenden Wagen stand, so dass sie - ineinan­der verkeilt - zerschellten und verbrannten. Das Ausmaß des Unglücks sowie die Anzahl der Toten blieben jedoch in jenen Kriegstagen unbekannt.

Unheil am letzten Kriegstag

Einen schweren Schlag bekam die Gebirgsbahn noch am letzten Kriegstag. In all den Kriegsjahren unbe­helligt geblieben, vollbrachte am 8. Mai 1945 ein Kommando der Wehrmacht ein sinnloses Werk der Zerstörung, indem es den Leeden-Viadukt bei Kunzendorf sprengte und darüber hinaus noch viele Schäden an den umliegenden Häusern anrichtete. Damit war die Eisenbahnstrecke zwischen Neurode und der Haltestelle Centnerbrunn bei Kunzendorf für den Verkehr total unterbrochen. In der ersten Nachkriegszeit wurde von der nunmehr polnischen Verwaltung der Bau einer hölzernen Not­brücke veranlasst. Da die Betriebssicherheit für dieses Provisorium aber nur für etwa fünf Jahre gegeben war, wurde sie neben der ursprünglichen Trasse gebaut, um den späteren Wiederaufbau einer massiven Brücke nicht zu behindern. Die erste Probefahrt konnte daraufhin im Mai 1946 erfolgen. Ein danach errichteter massiver Bau, zunächst nur eingleisig, wurde schließlich im Mai 1950 dem Verkehr übergeben.

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Die Leedenbrücke bei Centnerbrunn/Kunzendorf gehörte neben der über den Schwarzbachgrund in Neurode führenden und de­nen bei Ludwigsdorf und an der Hausdorfer Straße zu den vier großen Viadukt-Bauwerken mit ihren wuchtigen, aus heimi­schem Sandstein gefertigten Pfeilern. Die Leedenbrücke in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts (oben) und nach ihrer Sprengung im Mai 1945 (unten).

 

 

 

 

 

 

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Quellenhinweise

Titelbild:                Bahnviadukt über den Schwarzbachgrund in Neurode

Rücktitel:              Die Bahntrasse bei Kohlendorf mit der Leedenbrücke im Vordergrund

Abbildunge A. Klutky (Titel, Rücktitel, S.6); Archiv (Ansichtskar­ten bzw. alte Schriften (S. 3, 7, 8, 10, 11, 13, 15)

Zeichnung:       W. Großpietsch

Schriften:       Chronik der Stadt Neurode, v. Prof. Joseph Wittig; Neurode 1937 (70. Kap.: Neurode im Eisenbahnverkehr) Kleine Chronologie der Grafschafter Eisenbahnen, v. W. Großpietsch; Grofschoaftersch Häämtebärnla 1994

Grenzwacht; Glatz, Jahrgang 1940

Grafschafter Bote, Lüdenscheid, Jahrgang 1958

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Hinweis zu Seite 9 (Zitat aus „Chronik der Stadt Neurode").

Im Zitat wurde die Anzahl der Viadukte korrigiert. Die Chronik nannte irrtümlicherweise nur „drei". Im Neuroder Raum gab es jedoch vier: über den Schwarzbachgrund in Neurode, die Leedenbrücke sowie bei Ludwigsdorf und an der Hausdorfer Straße.

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Walter Großpietsch
Berlin 2009

Anmerkung zur Sprengung der Leedenbrücke am 08.05.1945 von Bernhard Grolms:

Bei einer Reise in die Heimat Anfang der 90er Jahre war die Besichtigung der Silberberger Festung und Wanderung von der Festung über den „Hohen Stein“, Glasehütte nach Köpprich angesagt. Auf dem Weg zum Hahnvorwerk begleitete mich A.L. aus der Oberecke aus dem „Roten Haus“. A.L. stellte mir die Frage ob ich wüsste, wer die Leedenbrücke gesprengt hat? Ich hatte keine Antwort darauf. Da sagte er mir „wir Hitlerjungen (die großen) und J.B. aus der Siedlung. J.B. war in Volpersdorf der Mann bei der NSDAP der das sagen hatte. Also; die Wehrmacht war da unschuldig.

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